Malaysia IV
4. Station: Langkawi
Die Sonne ist gerade mal über den Horizont gerutscht, da klettern wir bereits auf die Fähre, die uns zu unserem nächsten Ziel bringt: der Insel Langkawi. Lief unsere Reise bis jetzt unter dem Motto „Städtetourismus und Kultur“, soll sich das dort schlagartig in „Badeurlaub“ ändern. Im Vergleich zu den Fähren, mit denen ich vor zwei Jahren durch British Columbia geschippert bin, ist diese hier ein regelrechtes Schlauchboot, transportiert wahrscheinlich aber gut um die 200 Passagiere. Wir quetschen uns unter Deck in die fein säuberlich mit Plastikfolie überzogenen Sitzreihen und kramen gleich alle zusätzlichen Kleidungsstücke aus den Rucksäcken, denn, wie es in Malaysien scheinbar zum guten Ton gehört, wird der Raum gleich auf angenehme 15° C runtergekühlt. Auf den zwei flackernden Bildschirmen vor den Sitzen läuft der Film „Faster“ mit Dwayne „The Rock“ Johnson – eine stylische Schieß- und Prügelorgie, die ich mir schon bei der Anreise im Flieger zu Gemüte geführt habe. Angesichts der hohen Anzahl der mitreisenden Kinder, wäre ein etwas weniger blutrünstiger Film vielleicht angebrachter gewesen. Naja. Ich stecke mir meine Stöpsel ins Ohr und sehe The Rock dabei zu, wie er zu den Klängen von Metallica einen Statisten nach dem anderen von seinem irdischen Dasein erlöst.
Nach einer gefühlten Ewigkeit legen wir im Hafen von Kuah an, der Hauptstadt Langkawis. Für das Gepäck ist man selbst verantwortlich, was die Luxustouristen mit ihren Schrankkoffern vor ernsthafte Probleme stellt. Ich schnappe mir in meinem jugendlichen Übermut gleich meinen und Babsis Koffer und stapfe unter den anerkennenden Blicken der Crew keuchend über den Landungssteg. Mit einem Minivan-Taxi geht es dann zur anderen Seite der Insel, wo unser Hotel liegt. Auf halber Strecke lesen wir noch eine Bekannte unseres Fahrers auf. Sie ist eine junge Lehrerin und arbeitet in den Ferien in einem der Hotels…oder so ähnlich. Da sie mit dem Rücken zu mir sitzt, bekomme ich von der Unterhaltung so gut wie nichts mit, abgesehen von ihren langen Haaren, die mir der Fahrtwind die restliche Fahrt ins Gesicht bläst.
Langkawi liegt nördlich der Straße von Malakka, an der Grenze zu Thailand und ist die Hauptinsel des gleichnamigen Archipels. Der Großteil der Bevölkerung ist in der Tourismusbranche tätig, die vom Staat eifrig gefördert wird. Die touristische Prägung der Insel ist kaum verwunderlich, wenn man einen Blick auf die imposante Naturkulisse wirft. In der Küstenregion wechseln sich langgezogene Sandstrände mit Mangrovenwäldern ab, während im Landesinneren dichter Dschungel von den Ebenen bis hinauf zu den Kalksteinhügeln reicht. Unser Resort hat von allem etwas zu bieten. Die Zimmer sind bungalowartig im küstennahen Regenwald angelegt und von der Lobby erreicht man zu Fuß den hoteleigenen Sandstrand mit angrenzendem Mangrovensumpf.
Nach einer Woche drückender Schwüle in den Städten, ist es ein unbeschreibliches Gefühl die Füße in die türkisblaue Brandung zu stecken. Mir wurde nicht zu viel versprochen…
So ganz faul und untätig wollen wir aber auch hier nicht sein und so steht gleich am nächsten Morgen eine Wanderung im Dschungel auf dem Programm. Ein Shuttle bringt uns zu einem nahegelegenen Parkplatz, der als Ausgangspunkt für die Tour dient und als Stätte einer der denkwürdigeren Bekanntschaften der Reise. Wir treffen unseren Guide, Noon. Laut eigenen Angaben ist er „irgendwas um die 60“ und nach meiner Einschätzung wäre er eine echte Bereicherung für den Villacher Fasching, denn ab jetzt wird der Schmäh 5 Stunden lang bis zum Kreislaufkollaps rennen.
Schnaufend legen wir das erste Stück des Weges auf steilen Betontreppen zurück und bei mir macht sich die Angst breit gleich die amerikanisierte Version einer Dschungelwanderung zu erleben, samt Autobahn durch den Regenwald und Plüschaffen. Doch bevor ich den Gedanken fertig spinnen kann, biegen wir ins Dickicht ab. Ab jetzt geht es auf Trampelpfaden weiter. Wenn ich nur zwei Worte zur Verfügung hätte, um den Dschungel zu beschreiben, dann wären diese zum einen „schwül“ , denn wenn wir in der vergangenen Woche in den Städten schon geschwitzt haben, setzt der Wald hier noch eins drauf. Ich freue mich abermals über mein tolles Funktionshemd und meine leichte Trekkinghose. Zum anderen wäre es „dunkel“, denn beim Blick auf meinen Belichtungssensor packt mich das blanke Grauen. Auch wenn es mir nicht so vorkommt: es ist dunkel hier, nämlich so richtig dunkel – dem dichten Blätterdach sei Dank. Also atme ich tief durch, stelle meine Kamera schweren Herzens auf ISO-Automatik und hoffe, dass ich am Ende des Tages noch etwas Bild zu meinem Rauschen bekomme. Aber ich kann gar nicht lange grantig sein, denn Noon ist ein Quell der guten Laune. Er ist hier seit seiner Kindheit unterwegs und kennt den Dschungel wie seine Westentasche. Während er vor uns herstapft plaudert er aus dem Nähkästchen über alles, was ihm gerade einfällt, erklärt uns die verschiedenen Pflanzen, erzählt, wie er mal beim Fischen von einem Barracuda gebissen wurde und über seine liebe Not mit der Großfamilie. Ihm zuzuhören zahlt sich jedoch aus, wie ich sehr bald feststellen muss, denn als er uns empfiehlt als Schutz von Blutegeln, die Socken über die Hose zu stülpen, dauert es keine zehn Minuten und die ersten Blutsauger tummeln sich auf meinen Knöcheln. Die Socken verhindern Schlimmeres, aber die Mistkerle loszuwerden erweist sich als eher mühsam, weil diese an beiden Körperenden jeweils einen Mund besitzen, mit dem sie sich äußerst entschlossen in alles verbeißen, was auf ihrem Speiseplan steht und ich bin eine ausgewachsene Hauptspeise. Aber auch da weiß Noon Rat: den Egel einfach zusammenknüllen und wegschnippen. Ähm…klar.
Dass sämtliches Gewächs im Urwald für irgendetwas gut ist, erfahren wir vor Ort aus erster Hand. Wenn man von Krankheit befallen und von Gebrechen heimgesucht es noch schafft sich in den Dschungel zu schleppen und dort die erstbesten drei Pflanzen zu essen, stehen die Chancen recht gut, dass man federnden Schrittes und pausbäckig zurückkehrt. Auch für weitaus subtilere Problematiken stellt die Natur hier Lösungen parat. Noon zieht eine unscheinbare, fein verästelte Wurzel aus dem Boden. „Elephant Power“, sagt er augenzwinkernd. Der klingende Name scheint mehr als gerechtfertigt, denn wenn wir dem Experten glauben dürfen, bringt dieses Kraut neuen Schwung ins Schlafzimmer und Noon muss es schließlich wissen – er hat 8 Kinder. Als wir seine Ausführungen mit einem Schmunzeln belohnen, gibt es für Noon kein Halten mehr. Ab jetzt läuft der gepflegte Herrenwitz und zwar auf Dauerrotation.
Die 5 Stunden vergehen wie im Flug und ehe wir es uns versehen, stehen wir wieder am Ausgangspunkt der Wanderung und verabschieden uns von Noon.
Im Jahr 2005 wurde im Westen der Insel die Langkawi Sky Bridge eröffnet, eine Hängebrücke, die man mit einer Gondel erreicht und die einem aus 687m Seehöhe einen tollen Blick über die Insel erlaubt. Praktischer Weise befindet sich die Talstation direkt neben unserem Resort und so entscheiden wir uns eines Nachmittages spontan der Brücke einen Besuch abzustatten. Die Talstation der Seilbahn wird von mehreren Restaurants und Shops umgeben, die das „Oriental Village“ bilden – ein Hauch von Disneyland. Wir reihen uns brav in die Schlange für die Bergfahrt und wundern uns über die Nervosität, die rings um uns herrscht. Zugegeben, wir Österreicher sind was Seilbahnen angeht relativ abgebrüht, aber die minutiöse Abfertigung der Passagiere hier, inklusive akribischer Bodenmarkierungen erinnert schon eher an einen Raketenstart. Und tatsächlich kreischen die Asiaten bei der Abfahrt, als würden sie gerade auf den Mond geschossen. Wir hingegen lehnen uns entspannt zurück, denn die Seilbahn ist von Doppelmayr, also ein echtes österreichisches Qualitätsprodukt. Oben angekommen merken wir bald, dass wir kein allzugroßes Glück mit dem Wetter haben werden. Dicke Wolkenschwaden wickeln sich um die Bergspitzen und vermiesen mir wahrscheinlich ein paar spektakuläre Panoramafotos. Wir schaffen es gerade einmal bis zum anderen Ende der Brücke, bevor diese wegen Schlechtwetter geräumt werden muss. Kein Fehler, denn sobald wir wieder unter dem Dach der Bergstation stehen, beginnt es wie aus Kübeln zu gießen. Also dann eben wieder runter vom Berg und wieder Raketenstart und viel Gekreische.
Die restliche Zeit auf der Insel verbringen wir äußerst produktiv mit ausgiebigem Chillen am Strand oder am Pool. Während ich so unter Kokospalmen liege und aufs Meer hinaus blicke, spiele ich wieder mit dem Gedanken einfach hier zu bleiben und eine Strandbar zu eröffnen, oder mich zumindest einer Horde Affen im Dschungel anzuschließen. Aber wir müssen bald weiter nach Koh Lipe, einer anderen Insel. Die kann Langkawi aber sicher nicht das Wasser reichen…oder etwa doch?