Thema

Die Sache mit der Kritik

Ein Thema, das mich in letzter Zeit etwas häufiger beschäftigt hat und durch die neuen Medien nicht nur in der Fotografie allgegenärtig ist, ist Kritik an den eigenen Werken. Ich werd jetzt nicht altbacken darüber schreiben, wie Facebook, Flickr & Co die Verbreitung von Bildern beeinflusst haben – das wissen wir alle ganz genau. Einen großen Einfluss haben sie aber auch darauf genommen, wie Kritik geäußert bzw. aufgenommen wird. Ich befinde mich momentan (und hoffentlich noch länger) in einer Situation, in der ich mir Kritik an meinen Bildern fast auf einer täglichen Basis gefallen lassen muss. Jedes meiner Bilder wird im Detail zerpflückt und verwandelt sich vor meinen Augen nach und nach in eine Ansammlung von Gestaltungsfehlern. Und ich muss das bereitwillig schlucken.

Ich muss? Nein, ich WILL.

Das klingt jetzt vielleicht etwas masochistisch, macht aber sehr viel Sinn. Und zwar deswegen:

Wenn wir uns alle mal ganz ehrlich sind, ist es heute mit etwas Kleingeld, Zeit und zumindest einem Fünkchen Talent kein Ding der Unmöglichkeit sich eine nette Kamera zu kaufen und dann ein paar Bilder zu produzieren, die im Freundeskreis (und vielleicht auch darüber hinaus) für reichlich Schulterklopferei sorgen. Das ist auch absolut okay, denn ohne Lob von unseren Peers, hätten wir allesamt keine Freude an der Fotografie. Aber Lob ist, wie vieles andere auch, in zu großem Ausmaß genossen eine zweischneidige Sache, denn man bekommt davon einen fetten Arsch – sprich man wird bequem. Und da spricht jetzt nicht die Missgunst aus mir, sondern die eigene Erfahrung. Lob von meinen Freunden, meiner Familie oder auch Fremden hat mich motiviert die Fotografie weiter zu verfolgen, war Balsam auf meiner Seele und eine Wohltat für mein Ego, aber es hat zu manchen Zeiten auch dazu geführt, dass ich meine Fähigkeiten überschätzt habe. Ich brauche mir nur Fotos ansehen, die ich vor, sagen wir mal, 2 Jahren geschossen habe und bin fassungslos, dass ich mich damals schon für einen großen Zauberer gehalten habe. Das darf man jetzt nicht falsch verstehen: es ist gut und notwendig, dass man in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen Bilder produziert, mit denen man zufrieden ist. Sonst gäbe die Fotografie außer Frust nicht viel her. Aber man sollte seine Ansprüche immer noch ein Stück anheben und nie vergessen, dass es IMMER noch Luft nach oben gibt.

Das zu erkennen, ist mitunter nicht immer sehr angenehm. Vor vielen, vielen Jahren 😉 traf ich einmal in einem Lokal einen sehr renomierten österreichischen Fotografen. Wir hatten ein ausführliches Gespräch über Fotografie und dies und das und weil es sich so ergab, zeigte ich ihm auch ein paar Bilder von mir, mit denen ich damals sehr zufrieden war. Und weil ich noch immer auf einer rosa Welle aus Facebook-Likes schwamm, konsternierte mich das was folgte umso mehr: er mochte einige meiner Bilder gar nicht. Er gab mir, sehr freundlich aber bestimmt zu verstehen, dass das was ich ihm da unter die Nase gehalten hatte nicht wirklich der fotografischen Weisheit letzter Schluss war und – jetzt kommt der springende Punkt – er sagte mir auch warum. Das galt es erstmal zu verdauen und es folgte ein ausgedehnter künstlerischer Kater. Danach allerdings hatte das merkwürdige Gefühl in ein paar Minuten etwas gelernt zu haben, was ich in Monaten davor von sämtlichen „Fettes Pic!“ und „Schöööööön!“ nicht im Entferntesten vermittlelt bekam. Ernsthafte und wertvolle Kritik. Etwas was mich dazu brachte, meine eigenen Fähigkeiten infrage zu stellen und wieder dort nach oben zu schauen, wo ich hin wollte.

So ein Erlebnis ist jetzt halt so jedermanns Geschmack nicht. Und während ich das bei der Fotografie noch etwas entspannter sehe, erinnere ich mich an junge Jahre, als ich noch sehr ambitionierter Musiker war. Wenn ich ein Lied schrieb, dann legte ich all mein Herzblut in Text und Melodie, all meine Ängste und Hoffnungen, meine Sehnsüchte und Träume… und kam einer und meinte „Naja.“ Das ist ungefähr so, wie man man hört „Dein Kind ist eine hässliche Sau.“ Und unweigerlich schnaubt man sein herzloses Gegenüber an „Du hast ja KEINE Ahnung!“ Was ich damit sagen will ist, dass ich weiß wie schwierig es sein kann Kritik anzunehmen und klar, es gibt auch die wertlose Form davon. Wenn dir jemand sagt „Ich find dein Bild scheiße“, dann weißt du weder warum er es scheiße findet, noch wie er es anstellen würde, es zu verbessern. Und letzten Endes spielt Geschmack natürlich auch immer eine Rolle. ABER: der darf nicht zum Lückenbüßer werden! Es ist einfach, alles auf persönlichen Geschmack zu reduzieren und zu sagen „ICH finde es gut, dass auf meinem Gruppenfoto niemand scharf ist!„. Da muss man eventuell mal über seinen eigenen Schatten springen und sich fragen, ob das tatsächlich so toll ist, oder ob man nur seine eigenen Fehler rechtfertigen will.

Warum ich anfangs ein bisschen auf Facebook und Flickr hingehaut habe, sollte auch nicht unerwähnt bleiben. Zu allererst: ich habe nix gegen die beiden Plattformen und nutze auch sie auch ausführlich. Allerdings können einem beide, wie eingangs erwähnt, einiges vorgaukeln, was die eigenen Fähigkeiten betrifft. Auf Facebook ein Like zu bekommen, ist ungefähr so schwer, wie einen kärntner Politiker zu bestechen – mehr oder weniger Part of the game. Wenn Hansi Müller für seinen Status „Gerade Schuhe zugebunden“ 20 Likes bekommt, ist es dann verwunderlich, wenn „Hansi Müller Photography“ sage und schreibe 300 Fans hat? Ich will hier niemandem Facebook erklären, aber man sollte sich fragen, ob eines der eigenen Bilder 30 Likes hat, weil es sämtliche Werke von Ansel Adams in der Schatten stellt, oder weil man sehr viele nette Freunde hat…oder sehr viele Freunde, die arbeitslos sind, deshalb ungesund viel Zeit auf Facebook verbringen und sich über jedes eingestellte neue Bild wahnsinnig freuen. Ich gebs zu – ich freu mich auch über jeden einzelnen Like. Aber ich sehe das mehr als nette Geste meiner Freunde und Bekannten, als als valides Qualitätsmerkmal. Wenn ich jetzt nochmal die Brücke zur Musik schlagen darf: Als du mit deiner Punkband mit 16 im Pfarrsaal aufgetreten bist und von den 120 Leuten im Publikum (Oma und Tante Helga nicht mitgezählt) 90 zu deinem erweiterten Freundeskreis gehört haben, hättest du wahrscheinlich besoffen auf die Bühne kacken können und alle hättens trotzdem toll gefunden (Oma und Tante Helga wieder nicht mitgezählt). Machen wir uns also alle in dieser Hinsicht nichts vor. Wir haben alle viele nette Freunde auf Facebook, die bereitwillig alles liken, was wir ihnen präsentieren. Ein Hoch auf sie!

Auf Flickr hingegen rennen hunderte schwindlige, selbsternannte Preisrichter herum, die jedem Bild, das nur in genügend Gruppen geposted wurde (ideal wären 150+) eine Gold-, Silber-, Wasweißich-Medaille, einen Pokal oder die goldene Ananas umhängen. Leute, glaubt mir, Flickr ist toll um Fotos online zu stellen, ein bisschen Communityfeeling aufkommen zu lassen und seine Bilder zu teilen, aber nicht, um fundierte Bildkritik zu bekommen.

So, jetzt haben alle ihr Fett abbekommen, oder? Und ich komme als verbitterter Menschenfeind rüber, stimmts? Nein, ernsthaft: ich freue mich über jedes einzelne Lob von egal wem. Ob der jetzt Ahnung von Fotografie hat oder keinen blassen Schimmer. Lob ist von einem anderen Punkt aus betrachtet einfach eine nette Geste und die sollte man zu schätzen wissen. Auf der anderen Seite dürfen wir alle nie vergessen, dass wir ALLE noch bessere Bilder machen können. Wir können ALLE noch besser sein. Denn seien wir uns ehrlich, es wäre doch fad, irgendwann ganz oben angekommen zu sein und mit dem Kopf ständig an den Plafond zu stoßen, oder? 🙂

Ich bin jetzt eben in der Situation, mir tagtäglich von einem Fotografen meine Bilder zerpflücken zu lassen, der zu den besten der Welt zählt, in dem was er tut und mit jedem Bild lerne ich ungemein viel. Natürlich musste ich meine Eitelkeit teilweise ablegen. Das ist der Preis dafür von so jemanden etwas lernen zu dürfen und den zahle ich liebend gern.

Also Leute, geht raus, fotografiert, habt Spass! Freut euch über Lob, nehmt Kritik dankbar an und macht schöne Fotos!

 

4 Comments

  • gup

    tja, da stellt sich nun die frage, wer denn die guten fotografen kritisiert, die, die es schon zu (welt)ruhm gebracht haben. aber dein eintrag gibt auf jeden fall zu bedenken, dass es nicht so einfach ist, wie es scheint – es gibt da wohl keine abkürzungen zur professionalität! sehr erhellende worte!

  • Thomas Straubinger

    Da sind ein paar sehr schöne Gedanken dabei wie ich finde. Trotzdessen beschleicht mich beim Lesen des Textes soetwas wie Endzeitstimmung.
    Selbst wenn man sich in der glücklichen Position befindet, Kritik von einem „der besten“ erhalten zu dürfen, denke ich das man gut daran tut, wenn man diese Kritik hinterfragt. Denn um zu „den besten“ zu gehören, bedarf es oft nicht einmal großes Können. Manchmal reicht es die richtigen Leute zu kennen, nämlich die, die etwas zu sagen haben und den Leuten die nichts zu sagen haben erzählen wer die Besten sind.

    Andreas Gursky ist meiner Meinung nach ein Paradebeispiel dafür. Gib einem Außenstehendem eine Mittelformatkamera, erzähle ihm er solle damit ein Foto aus dem Alltag machen und klatsche auf das Ergebnis das Siegel von Andreas Gursky. Die Kunstkritiker werden es lieben.

    Fazit: Mehr Mut und Selbstvertrauen zur Kritik der Kritik(er) ist meiner Meinung nach ebenso eine sehr gesunde Zutat.

    • alex

      Hallo Thomas! Danke ersteinmal. Natürlich sollte man sich in erster Linie mal fragen, von wem die Kritik überhaupt kommt. Es gibt schließlich genug Trolle, die einem jedes Foto madig machen würden. Andererseits ist das Erhalten von (Bild)kritik und die Auseinandersetzung mit selbiger meiner Meinung nach ein wesentlicher Teil des Lernprozesses. In meinem Fall seh ich das recht pragmatisch: da ist dieser Fotograf, dessen Arbeit ich (und viele andere) bewundere und von dem ich etwas lernen möchte. Also bin ich bereit, mir anzuhören, was er über meine Fotos zu sagen hat und das zu beherzigen.
      Was die Frage des Könnens des Lehrers angeht, so ist vermutlich das Dienstleistungsgewerbe noch ein bisschen ehrlicher als die Kunstszene. Bei zweiterem gebe ich dir recht, dass hier von Zeit zu Zeit den einen oder anderen schwer nachvollziehbaren Hype gibt. Manchmal, so kommt es mir vor, aus dem Grund, dass einer sagen kann „Das ist deswegen so toll, weil du es nicht verstehst“.
      Aber mit der rein künstlerischen Fotografie kann ich ohnehin nur bedingt etwas anfangen. Selbes gilt für Gursky.

      Ich behaupte nicht, dass man pauschal von jedem Kritik annehmen muss. Man kann gut und gerne sein ganzes Leben lang selbst seine einzige kritische Instanz bleiben. Genauso wie man sagen kann „Meine Fotos müssen nur mir und sonst niemanden gefallen“. Im Endeffekt muss jeder für sich selbst entscheiden, von wem und in welchem Ausmaß er Kritik annimmt.

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